Kommentar zu Eckdatenpapier als Abschlussdokument

In das letzte Zukunftsforum des Investors Gerlach sind wir nicht unvorbereitet gekommen. Obwohl das Eckdatenpapier des offiziellen Arbeitskreises -quasi das Abschlussdokument des Beteiligungstheaters- erst sehr kurze Zeit vorher zur Verfügung gestellt wurde. Hier einige unserer Kritikpunkte. Das Papier darf so nicht einfach von Rat und Verwaltung der tadt in Politik umgesetzt werden!

In das letzte Zukunftsforum des Investors Gerlach sind wir nicht unvorbereitet gekommen. Obwohl das Eckdatenpapier des offiziellen Arbeitskreises -quasi das Abschlussdokument des Beteiligungstheaters- erst sehr kurze Zeit vorher zur Verfügung gestellt wurde. Hier einige unserer Kritikpunkte. Das Papier darf so nicht einfach von Rat und Verwaltung der tadt in Politik umgesetzt werden!

Die Gerlach-Protokolle

Hintergrundinformationen zum Eckdaten-Papier und den Protokollen des Arbeitskreises

Als Ergebnis des von Gerlach einberufenen Arbeitskreises liegt mittlerweile ein „Eckdatenpapier“ vor. Da dies erst am 20.11. veröffentlicht wurde fehlte die Zeit/Möglichkeit zu einer vertieften Auseinandersetzung. Dennoch soll hier auf einige Punkte eingegangen werden. Als Analysehilfe dienen auch die Protokolle des Arbeitskreises.[1]

Thema: Preisgedämpfte Wohnungen

Was Gerlach im Eckdatenpapier schreibt:

„In dem Eckdatenpapier sind nun 45% preisgedämpfter und 55% freifinanzierter Wohnraum festgeschrieben. Damit liegt das Projekt weit über dem Ratsbeschluß der Stadt Hannover von 30%“.

Was Gerlach nicht schreibt:

Das Eckpunkte-Papier verschweigt: diese 45% sind sämtlich hinsichtlich ihrer „Preisdämpfung“ zeitlich befristet, je nach Förderweg (B, C, D)[2] gilt die Bindung 10 oder 15 Jahre.

Wie die Wirklichkeit aussieht:

Die Preisdämpfung wird durch Zuschüsse an den Investor durch die öffentliche Hand erkauft. So wird Gerlach mit einem Millionenbetrag[3] subventioniert, damit er sich als Wohltäter darstellen kann. Nach Auslaufen der Bindungen hat der Markt dann freie Bahn. Letztlich kann Gerlach so mit der späteren Vermarktung der zunächst noch „preisgedämpften Mietwohnungen“ als Eigentumswohnungen auf steigende Preise spekulieren – und die Wartezeit wird ihm mit Steuergeldern versüßt.

Ausführliches zu temporären Bindungen findet sich in der DGB-Studie von 2019: “Bezahlbarer Wohnraum für alle!” Dort heißt es auch “Die temporären Mietpreisbindungen sind dabei ein Fehler im System.

Was in den Protokollen steht:

Von den AK-Beteiligten wurden immerhin Sorgen eingebracht „Was passiert nach zeitlicher Bindung mit gefördertem Wohnraum?» Dieser Aspekt darf nicht außer Acht gelassen werden.“ (AK#3). Wurde aber von Gerlach außer Acht gelassen (das Thema wurde bestenfalls indirekt über das Thema Genossenschaften angegangen, s. nächster Punkt).

Thema: Genossenschaften

Was Gerlach im Eckdaten-Papier schreibt:

Von allen geplanten bzw. zu realisierenden Wohnungen (100%) müssen 12% der Wohnungen für Genossenschaften vorgehalten werden.“ Toll, das würde ja heißen, dass „nur“ 88% der Wohnungen in profitmaximierender Trägerschaft gebaut werden?

Was in den Protokollen steht:

„Der Arbeitskreis hat Bedenken geäußert, dass auch Genossenschaften teilweise profitorientiert arbeiten und hohe Mieten ansetzen könnten. TG wiedersprach dieser Einschätzung. TG arbeitete in anderen Projekten ebenfalls mit Genossenschaften zusammen. Diese haben bereits in ihrer Satzung verankert, ihren Mitgliedern günstigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Die Gefahr sehr hoher Mieten wird daher seitens TG nicht gesehen.“

Wie die Wirklichkeit aussieht:

Eine Genossenschaft mit der Gerlach in einem anderen Projekt zusammengearbeitet hat ist die WGH. Dies ist eine Genossenschaft, die ihre Bestände als Genossenschaft nicht profitmaximierend einsetzt, gerade in Außenbezirken bieten deren Altbestände bezahlbaren Wohnraum für ihre Mitglieder. Aber: auch die WGH engagiert sich in uninahen-Standorten in Geschäftsfeldern wie „Micro-living“: so bieten sie eine neue 23,2 qm Wohnung, für 390€, das macht 16,81€ Nettokaltmiete/qm oder wie wär`s mit 40,17 qm zu 689€, entsprechend 17,15 € Netto-Kaltmiete/qm[4]. Fazit: Genossenschaften bieten viele Vorteile, aber Genossenschaft ist nicht gleich Genossenschaft.

Was Gerlach im Eckpunkte-Papier schreibt:

Der Verkauf an Genossenschaften kann über den Verkauf des Grundstücks, alternativ über den Verkauf der schlüsselfertig errichteten Wohnungen erfolgen.“ Es gilt: „Scheitert der Verkauf des Grundstücks/der schlüsselfertigen Wohnungen an Genossenschaften, sind diese 12% der Wohnungen ungeachtet dessen im geförderten Wohnungsbau mit den Programmteilen C oder D zu realisieren.“

Gerade der Kauf schlüsselfertiger Wohnungen ist für Genossenschaften je nach Preis nicht unbedingt attraktiv (und verhindert Optionen mit Eigenleistungen dauerhaft preisgünstigen Wohnraum zu schaffen, wie das eine Genossenschaft wie die WOGE Nordstadt tut). Sichergestellt ist somit lediglich die befristete Preisdämpfung über Förderweg C/D.

Es ist also unsicher, ob überhaupt eine Genossenschaft zum Zuge kommt (= klassisches Hintertürchen), und falls ja, ist es keinesfalls sicher, dass das langfristig als „bezahlbarer“ Wohnraum ausgestaltet wird.

Thema: Total-Abriss

Was Gerlach im Eckpunkte-Papier schreibt:

Zugunsten von vielen neuen und günstigen Wohnungen wird der Abbruch der Bestandsgebäude empfohlen um so die Chance auf eine grünes und zukunftsfähiges neues Quartier zu ermöglichen.“ Klingt widersprüchlich, da für eine Zukunft in 15 Jahren nach Auslaufen der Bindungen gar keine günstigen Wohnungen geplant sind. Gemeint ist wohl: jetzt und in Zukunft hochpreisig vermarktbar.

Was in den Protokollen steht:

Mit der Nennung konkreter Zahlen fühlten sich viele Teilnehmer*innen des Arbeitskreises aufgrund mangelnder Expertise überfordert. Hierfür kann sich jedoch auf die Ausarbeitung der Architekten gestützt werden“ AK#3 … auch wenn der Kontext aus dem Protokoll nicht ganz klar ist, gibt das Zitat einen Hinweis auf die Arbeitsweise des AK mit den von Gerlach bezahlten Architekten.

Und: „Abbruch der Bestandsgebäude erst möglich, wenn der Nachweis erbracht ist, dass eine Nachnutzung zu Wohnzwecken im Bestand nicht sinnhaft ist.“ (AK#)

Was Gerlach nicht schreibt:

Dieser Nachweis wird aber an keiner Stelle mit Zahlen oder einer transparenten Kalkulation hinterlegt. Das Thema ist sehr komplex. Einzeln betrachtet sind die im Eckdaten-Papier genannten Argumente durchaus relevant. Sehr verdächtig ist, dass keine neutrale Expertise einbezogen wurde, obwohl dies frühzeitig eine einfach zu erfüllende Forderung von „Bumke selber machen“ war. Und: Es fehlt ein Gesamtblick, der auch Möglichkeiten zu kreativen Umnutzung/Wohnformen und mögliche Eigenleistungen einbezieht.

Thema: Beteiligung

Was Gerlach & Stadt sagen:

„TG reicht die Hand und plant nicht hinter verschlossener Tür, sondern bietet das Angebot eines Verfahrens, bei dem alle einbezogen und Ideen eingebracht werden können.“ (ZF#2).

Herr Bodemann beteuerte noch einmal, dass die Beteiligung als wichtiges Instrument für den Stadtrat erachtet wird und er hofft, dass die Möglichkeit zur Mitwirkung und Mitgestaltung weiterhin genutzt wird. In Zukunft soll sich noch mehr auf den Ort bezogen und die Nachbarschaft stärker mit einbezogen werden.“ (ZF#2). Schade nur, dass die Stadt die Federführung Gerlach überlassen hatte und an dieser Stelle nur noch appellieren konnte.

Was in Wirklichkeit passierte:

Nach dem Zukunftsforum#2 von dem diese Zitate stammen wurde das weitere Verfahren in drei Sitzungen des (geschlossenen) Arbeitskreises abgearbeitet. Bumke selber machen war hierzu ja durchaus geladen, aber ohne ein Mindestmaß an Fairness macht Scheinbeteiligung keinen Sinn. Eine Ansprache/Information der Bevölkerung erfolgte hingegen nicht. Die Nachbarschaft wurde – sofern sie in Gerlachs Mail-Verteiler war – am 20.11.2019 mit einem fertigen Produkt konfrontiert. Das soll nun am 26.11. vorgestellt und „diskutiert“ werden, aber nicht mehr geändert werden. Fast vergessen: es gab doch noch eine öffentliche Beteiligung (am 11.11) mit 50 Interessierten: nur die wurde von „Bumke selber machen“ organisiert.

Was noch wissenswert ist:

Ging es in den ersten beiden Arbeitskreissitzungen sowie den öffentlichen Foren vorrangig um eine städtebauliche/freiraumplanerische Ausrichtung, sollte es nach Forum#2 vor allem um die inhaltliche Programmatik gehen“ (Eckdaten-Papier). Mit anderen Worten: Die Öffentlichkeitsbeteiligung hörte dann auf als es um die entscheidenden Inhalte ging – das blieb dem Arbeitskreis vorbehalten. Die Öffentlichkeit wurde dann wieder beteiligt indem 6 Tage vor der Veranstaltung am 26.11. ein Papier ins Internet gestellt wurde.

Das war am Anfang aber ganz anders angekündigt, so war der Arbeitskreis nur „beratend“ gedacht, auch ein Jury-Verfahren mit verschiedenen Szenarien wurde angekündigt, aber schnell wieder gestrichen.

Die Petition von Bumke selber machen, wird in dem Eckpunktepapier mit keinem Wort erwähnt, die Unterschriften von 2.500 Menschen ignoriert.

Thema: Klima & Umwelt

Was Gerlach in dem Eckpunkte-Papier schreibt:

Relativ wenig, es wird auf ein Beratungsgesprächs bei der Klimaschutzleitstelle mit einigen Prüfaufträgen verwiesen. Außer zu Gebäudestandarts und Stellplätzen werden die Themen wenig konkret aufgearbeitet.

Was  aus den Protokollen ersichtlich ist

Die Diskussion ergaben, dass der Stellplatzschlüssel von 0,6 auf 0,4 gesenkt wurde: „Ein Stellplatzschlüssel von 0,4 Stellplätze wird angestrebt, der durch ein zukunftsorientiertes Mobilitätskonzept nachgewiesen wird.“ Ohne wirkliches Konzept (und das  gibt es noch nicht) ist das ein Geschenk an den Investor – zu Lasten eines verstärkten Parkdrucks für die umliegenden Straßen.

Was (anscheinend) wirklich wichtig ist:

In einigen Punkte wird das Eckdaten-Papier dann aber doch sehr detailliert: „15% der Fahrradstellplätze sind mit Stromanschluss auszustatten“ oder „Erhaltenswerte Bäume sind zu erhalten.“ (wann ein Baum dann nicht erhaltenswert ist, wird aber lieber nicht gesagt…).

Zusammenfassende Einschätzungen:

Gerlachs-Planungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: „In 15 Jahren wird der Anteil von Wohnungen mit Preisbindung 0% betragen, aber dafür bekommen 15% der Fahrradstellplätze einen Stromanschluss“.

Wir wussten das Gerlachs-Beteiligungstheater eine Farce ist und haben das auch früh benannt, jetzt wissen wir, dass auch das Ergebnis in Form dieses Eckpunktepapieres eine Farce ist. Das gilt allerdings nur, wenn die Messlatte (wie behauptet) das „Ziel möglichst viel bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“ war. Aus Sicht von Gerlach ist das Ergebnis sicher ganz gut geworden und es ist hübsch gezeichnet… demgegenüber wurden die Forderungen unserer Petition weitestgehend ignoriert.

Dem Team Gerlach/Urban Catalyst ist es somit gelungen ein in den Kernpunkten investorenhöriges Konzept als Eckpunktepapier zu erstellen. Die Arbeitsmethoden dazu waren: Verweigerung neutraler Expertise, Verschweigen von Kalkulationsgrundlagen (z.B. den Kaufpreis), selbst erschaffene (scheinbare) Sachzwänge, profitsicherende Hintertüren, Weglassen von Informationen, mehrfache und grundlegende Änderung der Verfahrensregeln im laufenden Verfahren, Auslagern von Streitpunkten in direkte Gespräche mit der Stadt etc.

Oder kurz „In dem Moment, wo sie das ganze Verfahren in die Hand eines Investors geben, ist der Weg natürlich vorgezeichnet , das ist glaub ich allen klar, weil der wird nach Profit-gesichtspunkten entscheiden […] Das ist Kapitalismus. Das ist jetzt nur nicht das, was wir für die Stadtentwicklung brauchen“ Eckhard Scholz, OB-Kandidat für die CDU (25.9.2019) [5].

In einem Punkt irrt Scholz, denn das ist offenbar nicht allen klar: Teile des Bezirksrat Nord freuten sich über die Beteiligungsmöglichkeit und scheinen es als Erfolg zu werten, dass es statt des Mindestanteils von 30% preisgedämpften Wohnraums nun 45% sind. Richtig ist: für Gerlach hätte ein noch höherer Anteil an Eigentumswohnungen als 30% noch mehr Profite bedeuten können. Aber letztlich wiederholt sich das städtebauliche Desaster von Charlottes Garten – nur das diesmal eine steuersubventionierte Zeitverzögerung eingebaut wurde. Gerlach vermeidlich von einem sehr großen Millionengewinn zu einem großen Millionengewinn runtergehandelt zu haben, kann aber nicht der Anspruch von Politik sein. Nur am Rande: Theo Gerlach findet sich auf der Liste der reichsten Deutschen[6] mit einem Vermögen von 250 Millionen[7] Euro.

Unsere Einschätzung, dass mit Gerlach als gewinnorientiertem Investor keine Lösung möglich ist, die den Interessen der Menschen in der Nordstadt gerecht werden würde, hat sich voll bestätigt. Ohne Gerlach würden sich ganz neue Perspektiven eröffnen: eine Planung für das Bumke-Gelände, die sich an den Bedürfnissen der Menschen im Stadtteil und nicht an den Profitinteressen eines Investors orientiert. Wenn wir als Nordstadt Gerlach mit so einem Plan (=“verarsche & verdiene“) durchkommen lassen, wäre das ein fatales Signal, dass sich in unserem Stadtteil eine hohe Rendite des Investors gegen Interessen des Gemeinwohls (= dauerhaft bezahlbarer Wohnraum) durchsetzen lässt.


[1] Wobei die entscheidenden Protokolle der Sitzungen #4 und #5 ebenfalls erst seit dem 20.11.2019 online sind, das macht natürlich neugierig, warum diese solange zurückgehalten wurden …

[2] https://www.hannover.de/Leben-in-der-Region-Hannover/Planen,-Bauen,-Wohnen/Stadterneuerung-F%C3%B6rderung/Wohnraumf%C3%B6rderung-in-Hannover/Mietwohnraumf%C3%B6rderung

[3] Die genaue Höhe ist noch nicht errechenbar, das dies von Quadratmeterzahlen und der Verteilung auf die Förderwege B, C und D abhängt (Rechengrundlagen finden sich auf der Homepage: vorherige Fußnote).

[4] https://www.wgh-herrenhausen.de/wohnen/wohnungsangebote/ (Aufruf 21.11.2019)

[5] Im Rahmen der Veranstaltung „Unbeteiligt beteiligt? Zum Thema Bumke-Gelände: https://www.youtube.com/watch?v=MuuVC_MxIKc  (ab 1:05)

[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_500_reichsten_Deutschen

[7] Die Zahlen sind von 2013 und somit veraltet: denn die Immoblienbesitzer*innen in Deutschland sind zwischen 2011 und 2018 allein durch Preissteigerungen nominal um bis zu 3.300.000.000.000  (=3,3 Billionen) Euro reicher geworden. Da wird der Herr Gerlach schon seinen Teil abbekommen haben.