Wohnkonzept Hannover 2035

Kommentierung von Bumke selber machen (2/2024)

Im Jahr 2023 segnete der Rat die „Fortschreibung des Wohnkonzeptes für die Landeshauptstadt Hannover bis 2035“ (WoKo) ab. In diesem Konzept wird auf 19 Seiten der Rahmen für die zukünftige Wohnungspolitik Hannovers gesetzt.1 Die Grundlage ist das alte Wohnkonzept 2025, welches seit dem Ratsbeschluss im April 2013 die Grundlage für die „strategische Bearbeitung“ des Themas Wohnen darstellte. Die Ergebnisse des alten Konzeptes sind bekannt: drastische Mietsteigerungen, Verdrängung von Mieter*innen aus ihrem Wohnraum und die deutliche Zunahme von Wohnungs- und Obdachlosigkeit auf der einen Seite stehen enormen Gewinnen einiger Immobilieneigentümer*innen gegenüber. Das Wohnen wurde dem Markt überlassen. Auf in anderen Städten bewährte städtebauliche Instrumente wurde in Hannover bisher weitgehend verzichtet. Somit stellt sich die Frage, ob regierende Politik und Verwaltungsspitze endlich Maßnahmen gegen diese Fehlentwicklungen planen?

Problembeschreibung in Teilen zutreffend – Problemanalyse mangelhaft

Das Wohnkonzept bis 2035 (WoKo) beschreibt: Seit 2011 stieg die Angebotsmiete inserierter Mietwohnungen um fast 53 Prozent von 6,19 auf 9,44 €/qm. Auch Bestandsmieten werden teurer: so stieg die ortsübliche Vergleichsmiete seit 2011 von 5,82 €/qm um mehr als 35 Prozent auf 7,87 €/qm. Im WoKo noch nicht beschrieben ist die weitere Steigerung: ab 2024 gilt ein neuer Mietspiegel grundsätzlich steigen die Vergleichswerte um weitere 8,2 Prozent gegenüber den Werten von vor 2 Jahren (HAZ 16.11.2023).

Auch der enorme Schwund von für weniger finanzstarke Menschen bezahlbare Wohnungen wird im WoKo thematisiert „Es gibt immer weniger preiswerte Mietwohnungen auf dem Markt, was sich an der Verschiebung der angebotenen Preisklassen dokumentiert: Wurden 2011 drei Viertel der Wohnungen für unter 8 € angeboten, lagen 2021 ca. 80 Prozent der angebotenen Wohnungen im Segment 8 € und mehr.“ Zur Problematik von auf Transferleistungen angewiesenen Mieter*innen heißt es zutreffend: „Eine große Bedarfsgemeinschaft findet nahezu keine Angebote auf dem freien Mietwohnungsmarkt.“ Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels werden im WoKo auch zukünftige Problemverschärfungen benannt: „2020 sind in der Stadt Hannover rund 14.000 Empfänger*innen im Alter von 60 Jahren und mehr auf Transferleistungen angewiesen. Bis 2030 wird ihre Zahl auf 20.000 geschätzt.“

Eine Analyse, warum die bisherige Wohnungspolitik offensichtlich gescheitert ist, findet sich aber nicht. Stattdessen heißt es: „Mithilfe des Wohnkonzeptes […] konnten auf dem hannoverschen Wohnungsmarkt deutliche Verbesserungen erzielt werden.“ Richtig ist zwar, dass einige Impulse für mehr Neubau gesetzt werden konnten. Die Situation am Wohnungsmarkt hat sich aber definitiv nur für die Vermieter*innen verbessert. Für die Mieter*innen (Dreiviertel der Einwohner*innen in Hannover) jedoch dramatisch verschlechtert.

Die 100 Millionen Euro Frage: oder sind profitmaximierende Investor*innen Teil der Lösung oder Teil des Problems?

Hannovers Baupolitik orientiert sich an quantitativen Vorgaben. Um den Neubau zu steigern, werden Bauflächen ausgewiesen und eben auch profitorientierten Investor*innen günstige Bedingungen verschafft. Diese Bedingungen führen dazu, dass gemeinwohlorientierte Bauträger*innen kaum zum Zuge kommen.

Beispiel Bumke: Hier gab es Interesse von Genossenschaften, das Grundstück zu erwerben, Theo Gerlach Wohnungsbau überbot diese aber. Mit Einnahmekalkulationen des gemeinwohlorientierten Wohnungsbaus war das Preisgebot der Genossenschaften nicht konkurrenzfähig. Der von Gerlach gebotene Grundstückspreis wäre für Genossenschaften schlicht nicht refinanzierbar gewesen.

Beispiel Charlottes Garten: Hier wurde Boden von öffentlicher Hand zum Höchstgebot an profitorientierte Bauträger verkauft. Folge: Maximalpreisige Eigentumswohnungen (und immer wieder Verzögerungen der Fertigstellung (HAZ 9.11.2023)).

Beispiel Kirchrode: Hier wurden Kleingärten 2018 geräumt, der Boden von der Stadt Hannover an den börsennotierten Investor Instone aus Essen verkauft, der sich mit der Fertigstellung der Wohnungen Dank „Nachbesserung“ der Verhandlungen nun bis Mitte der 2030er Zeit lassen kann (Details zu finden in: Schönes Wohnen für Alle Nr. 2 Seite 5).

Das einzige „Zugeständnis“, welches die Investor*innen zu erbringen haben: ein bestimmter Anteil (derzeit 30%) der Wohnungen muss für 10 bis 20 Jahre (je nach Teil des Förderprogramms) „preisgebunden“ sein. Danach kann frei vermarktet werden. Die Wartezeit bis zur Profitmaximierung wird mit Fördergeldern vergütet. Dies ist offensichtlich keine nachhaltige Problemlösung, und im WoKo findet sich die alarmierende Einschätzung „Trotz intensiver Bemühungen der kommunalen Wohnraumförderung könnten bis Ende 2026 fast ein Viertel an geförderten Wohnungen wegfallen.“

Das hinterhersubventionieren von befristeten Preisbindungen ist auch finanziell nicht nachhaltig. Im seit 2013 bestehenden kommunalen Wohnraumförderprogramms stehen bis 2026 insgesamt 68,8 Mio. € für Baukostenzuschüsse zur Verfügung. Zum Stand März 2023 sind davon allerdings bereits 67,4 Mio. € für fertiggestellte, im Bau oder in der konkreten Planung befindliche Objekte mit rund 3.500 Wohnungen belegt. Für weitere 1500 Wohnungen würden im Falle einer Fortschreibung des städtischen Wohnraumförderprogramms insgesamt ca. 30 Mio. € für städtische Baukostenzuschüsse benötigt.“ So verausgabt die Stadtkasse 100 Millionen Euro an Investor*innen2 Wohnen sollte aber keine Ware sein, sondern ein DAUERHAFT sicheres Zuhause für die Menschen, die drin wohnen, bieten!

Beispiel Bumke: Theo Gerlach mit seinem Vermögen von 250 Mio. € wird mit einem Millionenbetrag an Steuergeldern für BEFRISTETE Preisbindungen subventioniert. Nach deren Auslaufen werden die Menschen nach und nach aus ihren Wohnungen verdrängt.

Jährlich gehen bundesweit tausende preisgebundene Wohnungen mehr verloren als Neue hinzukommen. Aber selbst wenn jede preisgebundene Wohnung rechnerisch durch eine Neue ausgeglichen werden würde, bedeutet dies Unsicherheit und Verlust der Wohnungen für tausende Mieter*innen in den Wohnungen mit jeweils auslaufenden Bindungen. Während in der Zivilgesellschaft die Fixierung auf Investor*innen und befristete Preisbindungen schon lange als Teil des Problems erkannt wird (z.B. benennt eine DGB-Studie dies als „Fehler im System“), setzt die hannoversche Wohnungspolitik mit ihrem „Weiter so“ unbeirrt auf profitorientierte Investor*innen als wesentlichen Teil der Lösung.

„Hannoverscher Weg sozialgerechte Bodennutzung“ im Nebel?

„Wie in vielen anderen deutschen Großstädten werden Investoren in Hannover über das sogenannte Modell der Sozialgerechten Bodennutzung an der Finanzierung von
notwendiger sozialer Folgeinfrastruktur von Wohnungsbauprojekten beteiligt. Der durch die Schaffung von Baurechten entstandene Planungsmehrwert verbleibt also nicht zu 100 Prozent beim Planungsbegünstigten, sondern wird zu einem festgelegten Teil für stadtentwicklungspolitische Zielsetzungen verwendet“ (WoKo).

Welche Regeln hier allerdings verbindlich sind, bleibt nebulös, da die Anwendung dieses Weges bisher nicht transparent gemacht wurde und auch das WoKo keine Angaben zu wesentlichen Zahlen enthält. Zum Vergleich: das entsprechende Modell in München sieht 40-jährige Preisbindungen vor. Auch die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen wird bei Neubauprojekten für 40 Jahre ausgeschlossen. In Hannover gibt es hierzu bisher keine grundsätzlichen Regeln.

Beispiel Bumke: Ein Umwandlungsverbot der freifinanzierten Mietwohnungen zu Eigentumswohnungen gilt hier nur für 10 Jahre. Selbst der immer noch sehr bescheidene Beschluss des Bezirksrat Nord hier 20 Jahre festzulegen, wurde in einer Antwort der Verwaltung/des Investors verworfen.

Im WoKo heißt es „Die Verwaltung wird das Modell den aktuellen Rahmenbedingungen entsprechend kontinuierlich anpassen und weiterentwickeln.“ Allerdings hat sich die Verwaltungsspitze bisher immer wieder auf die Seite der Investor*innen gestellt. Ob sich eine solche Weiterentwicklung an der Praxis in München (40 Jahre), der Dauer der Vorteilsgewährung des Förderprogramms in Hannover für den preisgebundenen Teil der Wohnungen (bis zu 20 Jahre) oder an dem Ziel „ungestörte Profitmaximierung für Theo Gerlach“ (10 Jahre) orientieren wird, bleibt völlig offen.

Es ist zu befürchten, dass sich der „hannoversche Weg“ einen wohlklingenden, „sozialgerechten“ Namen gibt, in der Realität aber nur die selbstverständliche Verpflichtung zum Kita-Bau und 30% Anteil von Wohnungen mit BEFRISTETEN, SUBVENTIONIERTEN Preisbindungen bleiben.

Progressive Optionen wie der preislimitierte Verkauf von Teilen der Grundstücke an gemeinwohlorientierte Genossenschaften oder ähnliche alternative Akteur*innen (Beispiel: Esso-Häuser Hamburg) scheinen dagegen weiterhin NICHT verbindlich einforderbar zu sein.

Beispiel Bumke: Hier gab es trotz eindeutigem Antrag des Bezirksrat Nord eben KEINEN PREISLIMITIERTEN Verkauf der Grundstücke Oberstraße 4+7, da die Verwaltung meinte, hierzu fehlen in Hannover anders als z.B. in Braunschweig oder Hamburg rechtlich erforderliche Grundlagen. Warum diese Grundlagen nicht JETZT geschaffen werden, bleibt in den Hinterzimmern des hannoverschen Weges der einseitigen Investorenbegünstigung verborgen.

>>> Tipp zum Weiterlesen zur Praxis anderer Städte: FAKTENCHECKS (Seite 3, Schönes Wohnen für Alle Nr. 2).

Unzureichender Schutz von bezahlbarem Wohnraum im Bestand!

Dass sich die hannoversche Wohnungspolitik eher an den Profitmöglichkeiten all der kleinen und großen Spekulant*innen und Investor*innen (Theo Gerlach, Instone, Vonovia, Immoherz, Kellmann, B&T Immobilen, BPD, Taurus, PM Team u.v.m.) und weniger am Wohle der Mieter*innen orientiert, wird an dem vollkommen unzureichenden Schutz von bestehendem Wohnraum deutlich.

Prägnantes Beispiel ist das Thema „Erhaltungssatzung“, die auch im WoKo besprochen wird, es „bestand der Ratsauftrag an die Verwaltung, die Voraussetzungen für die Einführung von Sozialen Erhaltungssatzungen nach § 172 BauGB in Teilgebieten der Stadt zu prüfen. In Sozialen Erhaltungssatzungsgebieten bestünde zusätzlich zum Genehmigungsvorbehalt für die Teilung und Umwandlung von Wohnraum auch ein Genehmigungsvorbehalt für bestimmte mietpreisrelevante Modernisierungs- und Veränderungs-Maßnahmen. Nun gehen die Vorschriften des § 250 BauGB den Sozialen Erhaltungssatzungen vor […]. Daher gilt nun ein stadtweiter Genehmigungsvorbehalt für die Teilung und Umwandlung von Mietwohnraum in Eigentum. Daher ist die beauftragte Prüfung auf Einsatz von Sozialen Erhaltungssatzungen derzeit nicht zielführend “.

Diesbezüglich ist richtig, dass Dank des neuen §250 des Baulandmobilisierungsgesetz des Bundes (vom 23.6.2021) und der (späten) Umsetzung durch das Land Niedersachsen (vom 23.9.2022) mittels Genehmigungsvorbehalt für viele Fälle die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen gestoppt werden kann. Diese Regelung ist ausdrücklich zu begrüßen, zumal sie stadtweit in Hannover gilt. Diese Regelung aufgrund des Bundesgesetzes ist aber zeitlich eng befristet (was im WoKo schlicht NICHT erwähnt wird) und auch die durch Erhaltungssatzungen vorhanden Möglichkeiten „bestimmte mietpreisrelevante Modernisierungs- und Veränderungs-Maßnahmen“ zu unterbinden sind bisher in Hannover eben NICHT möglich. Erhaltungssatzungen bieten den Kommunen auch Einflussmöglichkeiten zur Verhinderung von klimafeindlichen Abrissen und Vorkaufsrechte (letzteres ist im Moment juristisch ausgesetzt). Dass die Stadt auf diese Handlungsoptionen verzichtet, erklärt die (selbstgewählte) Hilflosigkeit der Bauverwaltung gegenüber Investor*innen.

Das WoKo macht keine nachvollziehbaren Angaben, wie die als „strategischer Ansatz“ benannte „Sicherung und Schaffung von preiswertem Wohnraum“ tatsächlich verwirklicht werden soll. Erhaltungssatzungen wären diesbezüglich immerhin einer kleiner Baustein, deren Umsetzung auch angesichts des tatsächlich nicht unerheblichen Verwaltungsaufwandes zumindest in Gentrifizierungs-Hotspots wie der Nordstadt oder Linden und benachbarten Stadtteilen dringend angeraten sei. Die auch für die Bauverwaltung kapazitätsfressenden, schwierigen Verhandlungen mit Gerlach wären beispielsweise durch eine Erhaltungssatzung entfallen, da dieser die Flächen wahrscheinlich gar nicht erst gekauft hätte. Statt klimaschädlichem Total-Abriss und jetziger Brache, wäre zumindest im einfach umbaubaren Vorderhaus am E-Damm bereits seit 2021 DAUERHAFT preisgünstiger Wohnraum entstanden.

Zweckentfremdungssatzung im Schneckentempo

„Zielsetzung des Instruments Zweckentfremdungssatzung ist die Verhinderung von
unerlaubter Zweckentfremdung des Wohnungsbestandes zu gewerblicher oder touristischer Nutzung bzw. Leerstand.“ Mit dem Niedersächsisches Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (NzwEWG vom 5.4.2019) wurden die Gemeinden bereits 2019 ermächtigt, für Gebiete mit Wohnraummangel durch Satzung zu bestimmen, dass Wohnraum nur mit ihrer Genehmigung anderen als Wohnzwecken zugeführt (zweckentfremdet) werden darf.3

Die Verwaltung in Hannover hat dieses Instrument fast fünf Jahre später immer noch NICHT rechtswirksam umgesetzt. Immerhin wurden mittlerweile einschlägige politische Beschlüsse für den zukünftigen Erlass einer solchen Satzung gefasst.

Statt die konkreten Inhalte der geplanten Satzung transparent zu machen und zur Diskussion zu stellen, liefert das WoKo aber lediglich die Ausreden einer zukünftig mangelnden Umsetzung: “In der Diskussion herrschte Einigkeit, dass die Verwaltung mit dieser knappen Personalausstattung die aufwändige systematische Feststellung und Verhinderung von Wohnraumzweckentfremdung im gesamten Stadtgebiet nicht gewährleisten kann.“

Absichtserklärungen: heiße Luft oder doch Hoffnungsschimmer?

Das WoKo enthält zahlreiche sinnvolle Absichtserklärungen: irgendwann gibt es ein „Fachgutachten zur strategischen Neuausrichtung der städtischen Bodenpolitik mit dem Ziel einer hannoverschen Baulandstrategie, die u.a. auch die wohnungspolitischen Handlungsspielräume der LH Hannover erweitern soll.“ Auch ist „Die Verwaltung [.] aufgefordert, mehr Experimentierfreude zu zeigen, z.B. bei Nachverdichtungen.“ Es wird im WoKo sogar überlegt „ob und wie zur Förderung der wohnungspolitischen Ziele der LH Hannover auch andere Maßnahmen zur Anwendung kommen sollen – etwa der Bau oder die Sicherung im Bestand von dauerhaft preisgedämpften Wohnungen durch das kommunale Unternehmen hanova oder durch die ZVK“. Und eine Absicht ist: „Ebenfalls ist die Versorgung von Menschen, die auf dem Wohnungsmarkt chancenlos wären, zu gewährleisten.“ – allein wie dies passieren soll, bleibt offen. Kreativere Optionen wie die Förderung von Genossenschaften oder anderen gemeinwohlorientierten Trägern ggf. bei Sanierung oder Neubau angesichts der explodierenden Baukosten auch mit Eigenleistungen der zukünftigen Bewohner*innen zu arbeiten, werden jedenfalls nicht erwähnt.

Typisch sind Sätze wie „Es besteht Einigkeit darüber, dass die Landeshauptstadt Hannover auf dem Bodenmarkt eine aktivere Rolle als bisher einnehmen soll, um zukünftig Entwicklungen aktiver zu beeinflussen, mit denen stadtentwicklungspolitische Zielsetzungen (Nutzergruppen, Gestaltung, Klimagerechtigkeit, preisgedämpfter Wohnraum, u.a.) erreicht werden können.
Eine aktive Bodenpolitik würde unter dem Aspekt der Innenentwicklung auch eine aktivere Rolle der Stadt in der Grundstücksentwicklung erfordern. Die Haushaltslage ist aber so angespannt wie nie.“ Bisher scheint es so, als würde schon mal eine „Ausrede“ für das erwartbare Scheitern gesucht. Angesichts unserer Erfahrungen mit Bauverwaltung und regierender Politik im Bauausschuss zu Themen wie dem Bumke-Gelände oder der Wasserstadt Limmer ist zu befürchten, dass die durchaus vorhandenen positiven Gedanken des WoKo in Prüfaufträgen versanden oder an fehlenden Finanzmitteln scheitern, die bisher so freigiebig an Investor*innen vergeben wurden.

Klimapolitische Geisterfahrt statt integriertem Konzept

Der Gebäudesektor ist für ca. 40% der klimawirksamen Emissionen verantwortlich, allein auf die Herstellung der Gebäude entfallen ca. 10%. Themen wie energetische Sanierungsraten (und Folgen für die Mieter*innen!), Vorgaben zur Energieeffizienz/Wärmedämmung beim Neubau (wozu die Vorgaben in einem anderen Konzept der Stadt Hannover gerade in unzureichender Weise weiterentwickelt wurden), Erhalt von „grauer Energie“ (=Abrissvermeidung) oder Begrenzung des Wachstums bei Wohnfläche/Kopf werden NICHT ausreichend oder gar nicht reflektiert. Wie Neubauten klimagerechter gebaut werden könnten, wird ausgeblendet (dies wird auch bei der hannoverschen Klimawirkungsprüfung explizit NICHT berücksichtigt).

Instrumente wie Erhaltungssatzungen werden nicht thematisiert, d.h. Entscheidungen zwischen Abriss oder Umnutzung sollen weiter den jeweiligen Eigentümer*innen und oft deren Profitinteressen überlassen werden. Selbst zu Entscheidungen zu Gebäuden im Besitz der Stadt Hannover fehlen bisher sachgerechte Klimabilanzierungen.

Potenziale durch „Ergänzung/Aufstockung/Dachausbau“ werden immerhin sinnvoll dargestellt, aber nicht quantifiziert, so dass die tatsächliche Umsetzung schwer einschätzbar ist.

Auch die „Umwandlung von Nichtwohnraum in Wohnraum“ wird zumindest thematisiert, hier werden aber Potenziale verkannt: „Dieses Instrument spielt daher mengenmäßig nur eine eher untergeordnete Rolle. In vielen Fällen steht das Baurecht entgegen, so dass Bebauungsplanverfahren durchzuführen sind.“ Gerade der Wandel der Büronutzungsrealitäten wird hier nicht ausreichend mitgedacht. Richtig ist der Satz „Beispiele aus anderen Städten zeigen, dass innovative und nachbarschaftsfördernde Wohnkonzepte in ehemals gewerblich genutzten Gebäuden auch in kleinteiliger Nutzungsmischung möglich sind.“ Schade nur, dass Beispiele in Hannover wie beim Bumke-Gelände oder Postscheckamt zeigen, dass hier die klimaschädliche Variante „Alles Abreißen“ Vorrang genießt, da sich die Bauverwaltung hier Instrumenten wie Erhaltungssatzungen weitgehend verweigert und stattdessen den Profiten von Investoren wie Gerlach oder Meravis verpflichtet sieht.

Um den Wohnflächenverbrauch/Kopf zu reduzieren, wäre ein Wohnungstausch für Ältere (nach Auszug der Kinder/Versterben der Partner*in oft mit großen Wohnungen) zu unterstützen. Das WoKo dokumentiert die abnehmende Umzugsintensität: „2001 zog noch etwa jede*r zehnte Bewohner*in innerhalb der Stadt Hannover um, 2021 ist es in etwa nur noch jede*r sechzehnte“. Angesichts der hohen Angebotsmieten ist aber der Umzug in eine kleinere Wohnung im eigenen Quartier schlicht finanziell oft nachteilig und angesichts des Nachfrageüberhangs kaum anmietbar. Neben dem hohen Wohnflächenkonsum einkommensstarker Haushalte, ist auch die mangelnde Umzugsmöglichkeit in eine angemessene Wohnung im Quartier eine klimapolitische Herausforderung, die im WoKo ausgeblendet wird.

Methodisch fragwürdig und intransparente Erarbeitung

Für eine politische Rahmensetzung, die die Verwendung von einem dreistelligen Millionenbetrag mitbestimmt, ist die fachliche Qualität des Konzeptes erschreckend niedrig und die Zielorientierung diffus. Einige Prognosen sind unklar, so gehen „verwaltungsinterne“ Berechnungen für die Zukunft von „490 Haushalte pro Jahr“ aus. Zum Vergleich „In den letzten zehn Jahren von 2013 bis 2022 wuchs die Zahl der Einwohnenden laut Melderegister um 33.200“. Die Berechnung des Nachholbedarf, wird nur anhand einer „Fluktuationsreserve“ vorgenommen. Wie die Situation der schon jetzt wohnungs- und obdachlosen Menschen in die Berechnung einfließt, bleibt unklar. Auch der Ersatzbedarf für Abrisse bleibt im WoKo nur bedingt plausibel (es fehlt die Aussage, dass Ersatzneubau mit jahrelanger Brache einhergeht).

Noch gravierender ist, dass keine Reflexion der tatsächlich erwartbaren Entwicklungen stattfindet (im Sinne einer „Ex-Ante Evaluierung“). Es mangelt an der Operationalisierung von vagen Zielen, es fehlt ein klares Monitoring zentraler Indikatoren: wie beispielsweise die Anzahl preisgebundener Wohnungen, Anteil der Wohnungen, die als Mietwohnungen im Eigentum nicht profitorientierter Institutionen sind (gemeinwohlorientierte Genossenschaften und Stiftungen, Miethäusersyndikat, kommunale Unternehmen, Kommunen).

Es fehlt die Vorausschau zur realen Verwirklichung der strategischen Ansätze. Beispiel: „Sicherung und Schaffung von preiswertem Wohnraum“ – wie wird sich dies entwickeln? Eine ehrliche Antwort wäre: durch das WoKo wird weiter preiswerter Wohnraum verloren gehen und der Anteil an preiswertem Wohnraum wird weiter zurückgehen.

Die Erarbeitung des Konzepts erfolgte laut Aussagen im Konzept in verwaltungsinternen Sitzungen und Hinterzimmerrunden, die als „zwei Gespräche mit Politiker*innen des Stadtentwicklungs- und Bauausschusses“ benannt werden. Dem Bauausschuss selbst wurde das fertige Konzept nur noch vorgestellt, auf eine kritische Erörterung mit der Zivilgesellschaft wurde offensichtlich verzichtet. Vom Rat der Stadt Hannover wurde unreflektiertes Abnicken erwartet, während wesentliche Teilaspekte in verwaltungsintern vorzunehmenden Präzisierungen und „Prüfaufträgen“ ausgelagert werden.

Kontakt: bumkeselbermachen@riseup.net

1 https://e-government.hannover-stadt.de/lhhsimwebdd.nsf/809675DFA7FB5C5BC1258A1A00227AD9/$FILE/Druckversion.pdf

2 Es profitieren nicht nur profitorientierte Investor*innen, auch Genossenschaften oder die hannova bekommen ein Teil der Mittel, dies ist im WoKo aber nicht getrennt dargestellt.

3 https://www.mw.niedersachsen.de/startseite/themen/bauen_wohnen/soziales_wohnungswesen/niedersachsisches_gesetz_uber_das_verbot_der_zweckentfremdung_von_wohnraum/niedersachsisches-gesetz-uber-das-verbot-der-zweckentfremdung-von-wohnraum-217005.html